Viele wurden mit dem aktuellen Preisverfall bei Immobilien auf dem falschen Fuß erwischt, dabei gab es solche Phasen schon immer. Sehen wir uns an, was sich aus den historischen Immobilienpreisen an Informationen gewinnen lassen.
German Real Estate Index (GREIX)
In der Vergangenheit wurden oft Zahlen von den Immobilienvermittlungsplattformen für die Kaufpreisentwicklung herangezogen. Diese Werte sind sehr ungenau, da sie nicht den tatsächlichen notariell beurkundeten Kaufpreis entsprechen und somit oft zu hoch angesetzt sind. Ebensowenig wird berücksichtigt, ob es nach dem Inseratsende wirklich zum Kaufvertragsabschluss kam. Gerade in heutigen Zeiten sind viele Immobilien aus verschiedenen Gründen unverkäuflich.
Gutachterausschüsse
Hier kommen die Gutachterausschüsse ins Spiel. Ein Gutachterausschuss ist ein unabhängiges Kollegialgremium von Immobiliensachverständigen, das für die Transparenz auf dem Grundstücksmarkt zuständig ist. Die Institution wurde in der Bundesrepublik Deutschland 1960 mit dem damaligen Bundesbaugesetz geschaffen. Ziel war und ist, durch ein unabhängiges Kollegialgremium von Immobiliensachverständigen für Transparenz auf dem Grundstücksmarkt zu sorgen. Dazu erhalten die Gutachterausschüsse Kopien aller in ihrem Zuständigkeitsbereich abgeschlossenen Immobilienkaufverträge von den Notaren übersandt. Die wertrelevanten Daten aus den Kaufverträgen werden von den Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse in aggregierter Form in der Kaufpreissammlung geführt. Die Daten werden unter mathematisch-statistischen Gesichtspunkten bei Wahrung des Datenschutzes analysiert und in zusammengefasster Form publiziert.
GREIX ist für jeden kostenfrei zugänglich
Der GREIX ermöglicht ein hochaktuelles Bild der Preisentwicklung der Wohnimmobilienmärkte in 18 deutschen Städten seit den 1960er Jahren bis auf die Ebene einzelner Stadtviertel. Mit Hilfe des Datensatzes können langfristige Trends der Immobilienmärkte analysiert und aktuelle Entwicklungen wie der Inflationsschub im historischen Kontext eingeordnet werden. Forschende des Exzellenzclusters ECONtribute: Markets & Public Policy und der Universität Bonn haben sich deutschlandweit mit Gutachterausschüssen zusammengeschlossen, um die Entwicklung der Immobilienpreise systematisch zu analysieren. Mit dem GREIX schafft ECONtribute nun eine Plattform, die dies ermöglicht – zentral verfügbar und kostenlos. Über eine Website lassen sich die Immobilienpreisen über den gesamten Zeitraum hinweg bis auf die Ebene einzelner Stadtteile transparent vergleichen. Die Datenbank ist ein signifikanter Fortschritt hin zu mehr Transparenz auf dem deutschen Immobilienmarkt und ermöglicht es, den deutschen Immobilienmarkt hochaktuell und mit wissenschaftlichen Standards zu analysieren.
Der German Real Estate Index (GREIX) ist erreichbar unter: www.greix.de.
Immobilienpreisentwicklung in Deutschland
Der German Real Estate Index (GREIX) stellt auf seiner Website verschiedene Informationen zur Verfügung. Für meine Recherchen nutzte ich den interaktiven GREIX Chart. Die Filter stellte ich auf den Gesamtmarkt (GREIX) ein und begrenzte die Darstellung auf die Preisentwicklung von Eigentumswohnungen, damit es übersichtlich bleibt. In der Tendenz ist die Preisentwicklung für Ein- und Mehrfamilienhäuser ähnlich. Die Preisentwicklung kann in Preisen €/m² oder als Indexwert erfolgen. Da die Quadratmeterpreise im Durchschnitt vom Einzelpreis der jeweiligen Immobilie stark abweichen können, wählte ich die Indizes für den Preisvergleich. Dabei ist es wichtig die inflationsbereinigten Preise zu wählen.
Historische Immobilienpreisentwicklung
Analysiert habe ich die Zyklen mit dem Start und Ende eines mehrjährigen Preisrückgangs und die anschließende Erholungsphase, bis die Preise wieder den Wert vor dem Beginn des Preisverfalls erreicht haben.
Im Bild unten fallen drei Zyklen auf. Es gab zwei Zyklen von 1972 bis 1979 und von 1983 bis 1990 mit Preisrückgängen und einer Erholung nach je 7 Jahren. In den 70er Jahren sanken die Preise 5 Jahre lang um 16% und in den 80ern war der Preisrückgang von 11% in 4 Jahren moderater.
Als Folge der Deutschen Einheit stiegen Anfang der 90er die Immobilienpreise rasant an, weil der Wohnraum im Osten Deutschlands einen enormen Instandhaltungsrückstau aufwies. In der ehemaligen DDR war Privateigentum verpönt und das schlug sich in den Immobilienbestand nieder. Obwohl auch in der DDR viel Wohnraum geschaffen wurde, zum Beispiel mit dem Plattenbau, waren Wohnungen Mangelware. Den DDR Bürgern wurde Wohnraum vom Staat zugeteilt. Oft nur für verheiratete Paare. Die Mieten waren sehr niedrig, in Folge war nur wenig Geld für die Instandhaltung verfügbar.
Mit massiven Steuervorteilen und Förderungen wurden die DDR Immobilien saniert und es wurde viel gebaut. Bis eine Sättigung einsetzte. Auf einmal waren zuviel Wohnungen da. Die Folge waren fallende Miet-/ und Immobilienpreise. Ich arbeitete damals bei der GrundKredit Bank (GKB) und bekam mit, wie einige meiner Firmenkunden aufgrund nicht mehr bedienbarer Immobilienfinanzierungen insolvent wurden. Denn die prognostizierten Mieten wurden nicht erzielt oder es kam zum Leerstand. Um die Jahrtausendwende verhob sich die Bankgesellschaft Berlin mit den Immobilienfonds der LBB (LandesBank Berlin). Die garantierten Mieten traten nie ein, die Bankgesellschaft Berlin musste abgewickelt werden. Der Berliner Senat übernahm eine Bürgschaft von über 20 Mrd. €.
Die Periode ab Mitte der 90er war mit einem heftigen Preisrückgang von 29% über 15 Jahre gekennzeichnet. Es dauerte weitere 6 Jahre, bis sich die Preise wieder erholten. Wer 1993 in eine Immobilie investierte musste 21 Jahre lang warten, bis der ursprüngliche Kaufpreis wieder erreicht wurde!
Aus der Historie lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
- Preisschwankungen sind in einer funktionierenden Marktwirtschaft völlig normal.
- Der durchschnittliche Zyklus mit Preisrückgängen zwischen 11% bis 16% und die anschließende Erholung dauert in der Regel 7 Jahre.
- In Sondersituationen wie der Deutschen Einheit kam es zu besonders gravierenden Verwerfungen und der Preisverfall fiel mit 29% sehr heftig aus. Auch die Dauer von insgesamt 21 Jahren bis zur Preisaufholung war besonders lang.
Aktuelle Immobilienpreisentwicklung
Im Bild unten ist eine lange Preissteigerungsphase von 2008 bis 2022 zu sehen. Erst im Jahr 2014 wurden wie oben beschrieben die ursprünglichen Kaufpreise von Mitte der 90er erreicht! Von da ging es mit einer Verdoppelung der Immobilienpreise besonders stark nach oben.
Bis es ab dem 2. Quartal 2022 aufgrund des Russisch-Ukrainischen Krieges zu großen Marktverwerfungen kam. Die Energiepreise und Baupreise schossen nach oben. Aufgrund der hohen Inflation hoben die Zentralbanken weltweit die Zinsen an. Die EZB hat seit 2022 zehn Zinserhöhungen durchgeführt. Der Hauptrefinanzierungssatz, den Banken für Kredite bei der Notenbank zahlen müssen, liegt aktuell bei 4,5 Prozent. Der Einlagensatz für Einlagen der Banken bei der Notenbank liegt bei 4 Prozent. Die Baufinanzierungszinsen liegen aktuell in Deutschland bei rund 4% für 10 Jahre Zinsbindung. Vor 2 Jahren waren es noch 1%.
Innerhalb von nur 21 Monaten haben die Wohnimmobilienpreise um 20% nachgegeben. Die aktuellen Meldungen lassen weiter nichts gutes verheißen: Greix – Immobilienpreise in Deutschland fallen wieder stärker | Kiel Institute (ifw-kiel.de).
Stiegen die Baufertigstellungen von Wohnungen in 2021 auf 306.000 an, sanken diese in 2022 auf 295.000 (Quelle: Baufertigstellungen von Wohnungen in Deutschland bis 2022 | Statista). Das Vorhaben der Bundesregierung mit einem Neubau von 400.000 Wohnungen pro Jahr wird auch in 2023 deutlich verfehlt. Aktuell sollen 700.000 Wohnungen fehlen, bis 2025 könnten sogar bis zu 1 Mio. Wohnungen fehlen (Quelle: Baubranche: Bis 2025 fehlen wohl bis zu eine Million Wohnungen | BR24). Eigentlich ist die Wohnraumverknappung ein gutes Zeichen für steigende Preise. Doch das einzige was rasant steigt sind die Wohnungsmieten. Seit Anfang 2020 sind die Wohnungsmieten um 5,5% gestiegen, was bei einem stark regulierten Wohnungsmarkt wie in Deutschland eine Ansage ist (Quelle: Mietindex – Monatliche Entwicklung bis 2023 | Statista).
Aktuelle Transaktionen
Die Anzahl verkaufter Immobilien ist dabei ebenfalls deutlich gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr
(Q3, 2022) finden in allen Marktsegmenten rund ein Drittel weniger Verkäufe statt. Gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2019, 2020 und 2021 liegt der Einbruch bei bis zu 50 Prozent. Quelle: GREIX Kurzbericht 2023-11 v05 DE.
Zusammenfassung
In der Historie ist klar zu erkennen, dass Preisschwankungen bei Wohnimmobilien nicht ungewöhnlich sind. In den 70er und 80er Jahren hatten wir Preisrückgänge um moderate 11% bis 16%. Nach insgesamt 7 Jahren war jedoch das Vorpreisniveau wieder erreicht. Der Preiszyklus ab den 90ern war sowohl von der Dauer (21 Jahre), als auch von der Höhe (Preisrückgänge bis 29%) besonders heftig. Hier spielte die Sondersituation der Deutschen Einheit eine große Rolle. Dafür verdoppelten sich die Wohnimmobilienpreise bis 2021.
Aktuell sind die Wohnimmobilienpreise seit dem Russisch-Ukrainischen Krieg um 20% gesunken. Obwohl derzeit 700.000 Wohnungen fehlen und der Neubau nicht in Schwung kommt. Hier wirken die Probleme der vergleichsweise immer noch hohen Immobilienpreise in Verbindung einer Vervierfachung der Baufinanzierungszinsen nach. Im Neubau hemmen die hohen Baukosten die Investoren. Diese Meldung sorgte Anfang des Jahres für Aufregung: Vonovia stoppt alle Neubauprojekte für 2023 | tagesschau.de.
In „normalen“ Zeiten war ein Preiszyklus nach 7 Jahren beendet, in besonderen Zeiten kann es wesentlich länger dauern. Die Glaskugel hat keiner. Aufgrund der historischen Daten müssen wir meines Erachtens jedoch davon ausgehen, dass die Wohnimmobilienpreise weiter sinken werden. Den Preisrückgänge dauerten in der Vergangenheit mindestens 4 Jahre an. Die Wohnraumverknappung wirkt sich derzeit nur auf steigende Mieten aus.
Verpassen Sie keine Beiträge. Diese sind garantiert werbefrei und kostenlos und können jederzeit abgemeldet werden.
Haftungsausschluss
Sämtliche Inhalte dieser Webseite stellen journalistische Publikationen dar. Sie dienen ausschließlich Informations- und Lernzwecken und stellen keine Handlungsempfehlung hinsichtlich des Kaufs oder Verkaufs von Wertpapieren, Edelmetallen, Immobilien oder anderer Anlagearten dar. Ein Handel mit Wertpapieren wie z.B. Aktien ist mit Chancen, aber auch mit Risiken bis hin zum Totalverlust verbunden und erfolgt auf eigene Verantwortung. Ronny Gabriel Grigg (Autor) übernimmt keine Haftung für Schäden und Verluste, die sich aus einer Handlung auf Basis der zur Verfügung gestellten Informationen ergeben. Der Autor kann zum Zeitpunkt des Erscheines des Beitrags selbst in einer Anlageart investiert sein oder erwägt den Kauf oder Verkauf dieser Anlageart.
Alle Inhalte geben ausnahmslos und zu jeder Zeit die persönliche Meinung und Einschätzung des Autors wieder. Die Inhalte wurden sorgfältig nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und berücksichtigen Informationen, die dem Autor zum Stand der Veröffentlichung bekannt waren. Der Autor übernimmt jedoch keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte.